Fairness statt Willkür

Welche Lehren wir aus dem Buchser Einbürgerungsfall ziehen sollten

Buchs, eine Gemeinde im Aargau, Teil der Stadtregion Aarau, sorgt in letzter Zeit für Aufruhr in den hiesigen, aber auch nationalen Medien.
Die Gemeinde beherbergt die riesigen Produktionsbetriebe der Migros, u. A. die Chocolat Frey. Eine eher grössere Gemeinde mit 8000 Einwohnern aus 72 Nationen, wie sie selber auf ihrer Webseite hervorhebt und weiter ausführt, dass die Gemeindeverwaltung bemüht ist, gute Dienstleitungen für ihre Einwohner zu erbringen.
So weit, so gut.

Anfang Mai habe ich im Rahmen meiner Aktivitäten im Migrantenkomitee der Unia Aargau und gleichzeitig als Einbürgerungsberater der SP die nächste Infoveranstaltung im Volkshaus Aarau durchgeführt, um über das neue Bürgerrechtsgesetz, die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation und den automatischen Informationsaustausch (AIA) zu informieren. Am Ende der Veranstaltung kommt eine junge Frau auf mich zu, die sich als Funda Yilmaz vorstellt und mit leiser Stimme und perfektem Schweizerdeutsch erzählt, dass sie in Buchs wohnt und sich einbürgern lassen will, aber es irgendwie nicht klappt, weil die Einbürgerungskommission den Integrationsnachweis als nicht erfüllt sieht.

Hm, denkt man sich.
Funda ist im Aargau geboren und aufgewachsen. Während ihrer Schulzeit war sie sportlich aktiv und Mitglied von lokalen Vereinen. Sie hat eine vier jährige Lehre als Tiefbauzeichnerin absolviert und arbeitet weiterhin in ihrem ehemaligen Lehrbetrieb. Den Staatskundetest besteht sie mit 100%, was ein guter Indikator dafür ist, dass sie die institutionelle Ordnung der Schweiz und die Grundsätze der Demokratie sehr gut kennt.

Wo ist also das Problem?

Beim genauen Durchlesen der Protokolle aus den zwei Einbürgerungsgesprächen erkennt man, dass in vielerlei Hinsicht suggestive Fragen gestellt wurden, die nichts darüber aussagen können, ob eine Person integriert ist, oder nicht.

Man könnte den Eindruck gewinnen, als wolle die Einbürgerungskommission den Beweis der Nichtintegration mit allen Mitteln und unter Ausblendung jedes Grundsatzes der objektiven Beurteilung erzwingen. In dieser Stimmung, fällt auch schnell der Name Erdogan.
Man stelle sich vor, in jedem zukünftigen Einbürgerungsgespräch in der Schweiz würde die Einbürgerungskommission von der Kandidatin, die aus Deutschland kommt, wissen wollen, was sie von Hitler hält. Oder der Italienerin von Mussolini und der Chilenin von Pinochet. Es würde die Kandidatin oder den Kandidaten verunsichern und jedem vernünftigen Gespräch die Basis entziehen.
Funda hat auf die Frage der Einbürgerungskommission hin, was sie am "Am Tun und Machen von Präsident Erdogan" gut finde, gutschweizerisch geantwortet, dass sie mit seinen letzten Handlungen nicht einverstanden sei und damit ihr demokratisches Verständnis für das Funktionieren einer Gesellschaft bekräftigt.

In Anbetracht dessen, was ich gesehen und gehört habe, oder von der Einbürgerungskommission und den Einwohnerräten eben nicht, denn sie haben dazu keine Stellung genommen, ist es klar, dass die Einbügerungskommission von Buchs nicht verstanden hat, worum es eigentlich geht und welch wichtige Rolle Secondas und Secondos für die Schweiz spielen. Wie wichtig, veranschaulicht der Fall mit Funda selbst. Wir können ihr zwar zutrauen, dass sie als Tiefbauzeichnerin für uns hochkomplexe und lebenswichtige Tragkonstruktionen für unsere Häuser, Brücken und Tunnels entwerfen kann, aber für den Schweizer Pass, für den ist sie offensichtlich nicht gut genug.

Als Verfechter des Förderalismus ist für mich ganz klar, dass die Gemeinden nach wie vor das Recht haben sollen, über Einbürgerungsgesuche zu entscheiden. Aber sie sollen den Einbürgerungswilligen die Chance geben, fair und korrekt behandelt, und nicht der behördlichen Willkür, vor der sie alleine machtlos sind, ausgesetzt zu werden.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0